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«Lernende werden eingesetzt, ohne ausgebildet zu werden»

«Lernende werden eingesetzt, ohne ausgebildet zu werden»

Tag der Pflege
Anlässlich des Tages der Pflege fordert der Schweizer Berufsverband für Pflegefachpersonal, dass sich die Ausbildungssituation in der Pflege verbessern soll. Eine Betroffene erklärt, in welchen Bereichen der Kanton Bern Nachholbedarf hat.
Publiziert am Fr 12. Mai 2023 20:17 Uhr
© zvg
- Annina Bosshard ist Co-Präsidentin von Swiss Nursing Students und diplomierte Pflegefachfrau HF.

2021 wurde die Pflegeinitiative von den Stimmbürgerinnen und -bürgern in der Schweiz mit einem deutlichen Ja angenommen. Vergangenen November wurde die Ausbildungsoffensive vom nationalen Parlament verabschiedet. Doch hat sich seither etwas verändert?

Annina Bosshard, Pflegefachfrau und Co-Präsidentin von Swiss Nursing Students, nationaler Verband der Pflegestudierenden der Schweiz, sagt: «Es ist ein langer Prozess und braucht Zeit.»

Dringend verändern müsse sich beispielsweise, dass Pflegende und insbesondere Lernende besser entlöhnt werden. «Lernende werden sehr häufig am Wochenende und im Spätdienst eingesetzt, wobei sie aber keine Zulagen erhalten. Das ist einfach Ausbeutung», betont Bosshard. «Sie werden eingesetzt, ohne ausgebildet zu werden.»

Viele junge Pflegefachpersonen gehen

Dem pflichtet auch Manuela Kocher Hirt, Präsidentin des Schweizer Berufsverbands für Pflegefachpersonal Sektion Bern (SBK), bei. Bei den Studentinnen und Studenten sei die Situation ähnlich: «Studierende werden als Arbeitskräfte eingesetzt und der Bildungsauftrag gerät in den Hintergrund. Dies ist für die Ausbildungsqualität, aber auch für die Zufriedenheit der Studierenden schlecht und eine mögliche Erklärung, warum so viele junge Pflegefachpersonen nach nur wenigen Berufsjahren den Beruf verlassen.»

Annina Bosshard kennt viele Pflegefachpersonen, welche nicht so eingesetzt werden, wie sie sollten. «Und das nennen wir Gesundheitswesen», sagt Bosshard, welche am eigenen Leib erlebt hat, wie schlecht Lernende teilweise behandelt werden: «Ich habe Überstunden geleistet, welche nicht angerechnet wurden. Und ich habe mich sehr alleingelassen gefühlt, weil meine Berufsbildnerin zum Teil nicht da war.»

Auszubildenden Sorge tragen

Für Bosshard ist klar: «Auszubildende sind unsere Zukunft, denen müssen wir Sorge tragen.» Man verbrenne die Zukunft schon in der Ausbildung. Deshalb fordert die diplomierte Pflegefachfrau vom Kanton Bern: «Es wäre effizient und ökonomisch, wenn man die Ausbildung der Zukunft priorisieren und gewährleisten würde, dass die Rahmenbedingungen stimmen, damit anständig ausgebildet werden kann.»

«Es gibt Personen, welche sich für die Ausbildung in der Pflege interessieren, sie aber nicht in Angriff nehmen, weil sie nicht wissen, wie sie den Lebensunterhalt mit dem tiefen Lohn finanzieren sollen», weiss Manuela Kocher Hirt. Die Präsidentin des SBK fordert: «Unsere Studierenden brauchen dringend faire Anstellungsbedingungen und höhere Ausbildungsbeiträge. Der Bund würde sich mit 50 Prozent an den Kosten beteiligen. Diese Beiträge müssen jetzt eingesetzt werden.»

Für die Zukunft hat Annina Bosshard einen bescheidenen Wunsch: «Ich wünsche mir, dass es nicht noch schlimmer wird. Ich will, dass es sich verbessert.»

(raw/sdf)

    #Spital#Pflege#Pflegeinitiative
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