Berner Astronaut Marco Sieber besteht Probezeit
«Es ist aber schwierig, so weit weg von zuhause, von Freunden und Familie, zu sein», sagte Sieber. Seit April wird der 34-jährige aus Kirchberg BE im Ausbildungszentrum der Europäischen Weltraumagentur (ESA) in Köln für Einsätze im All trainiert. Zusammen mit vier weiteren Kandidatinnen und Kandidaten wurde er aus über 22'500 Anwärterinnen und Anwärtern ausgewählt.
In ein paar Jahren soll es für Sieber noch viel weiter weg gehen: Nach Abschluss der Grundausbildung werden die neuen Astronautinnen und Astronauten einer Mission zugeteilt. Der Rest der Ausbildung wird auf spezifische Missionsaufgaben zugeschnitten. Genaueres sei bisher nicht entschieden. «Mein erster Flug zur Internationalen Raumstation ISS wird voraussichtlich zwischen 2026 und 2030 stattfinden», sagte Sieber.
Wunschdestination Mond
Angst davor habe er keine. «Man wird während der gesamten Ausbildung psychologisch darauf vorbereitet», sagte Sieber. Ausserdem würden die sechs Monate, die man normalerweise auf der Raumstation verbringe, schnell vergehen, gab sich Sieber überzeugt.
Siebers Wunschdestination ist der Mond. «Noch kein Europäer und keine Europäerin konnte bisher einen Schritt auf einem anderen Himmelskörper machen. Das wäre sehr speziell», sagte er. Eine Mission zum Mars könne er sich hingegen im Moment nicht vorstellen. «Eine One-Way-Mission würde ich nicht machen. Die Technologie ist momentan auch noch nicht so weit, dass man auf einen sicheren Weg zum Mars käme. Wenn die Technologie dann so weit ist, dann sieht es vielleicht anders aus.»
Viel Theorieunterricht
Bisher mussten Sieber und seine Kolleginnen und Kollegen der Astronauten-Klasse vorwiegend Theorie lernen. Ziel der Grundausbildung sei es, Hintergrundwissen in Biologie, Medizin, Physik und Technik aufzubauen, erklärte der angehende Astronaut. Auch ein Fotografiekurs sei Teil der Ausbildung. «Jede Woche kommt ein neues Thema. Es ist eine Herausforderung, alles Gelernte im Kopf zu behalten», gab Sieber zu. «Am spannendsten fand ich bisher die Astronomie-Vorlesungen, aber ich freue mich wirklich auf jede neue Woche.»
Ausserdem haben die Astronautinnen und Astronauten Tauchunterricht. «Um zu lernen, wie man sich ausserhalb der Raumstation bewegt, zum Beispiel um etwas zu reparieren», erklärte Sieber. Mindestens dreimal pro Woche stehe zudem Fitnesstraining auf dem Programm. «Damit man nicht gerade aus dem Leim fällt, wenn man im Weltraum Muskeln verliert», erklärte Sieber.
Zudem lernen Astronauten-Lehrlinge laut Sieber russisch. Am Ende der Grundausbildung müssen sie die Sprache bis zum Niveau B1 beherrschen. Das sei für Arbeiten im russischen Teil der ISS und für den Austausch mit russischen Kollegen unerlässlich, erklärte Sieber. Der russische Krieg in der Ukraine sei aber ein grosses Thema bei der ESA. «Die Kooperation mit Russland wurde in vielen Bereichen beendet. Früher starteten Europäische Astronauten zum Beispiel mit russischen Raketen ins All, das macht man heute nicht mehr. Die ISS würde aber nicht funktionieren ohne Russland und die USA.»
In den Fussstapfen Nicolliers
Die Ausbildung zum Astronauten sei eng getaktet, so Sieber. Aber als Arzt sei er einen straffen Arbeitsrhythmus gewohnt. «Im Spital habe ich oft mehr Stunden pro Woche gearbeitet», sagt er. «Ein Privatleben hat da durchaus Platz.» Er habe etwa auch eine Beziehung.
Der Lohn eines Astronauten sei mit dem eines Assistenzarztes vergleichbar. «Aber das Gehalt eines Arztes mit bestimmten Spezialisierungen oder mit einer Privatpraxis erreicht man als Astronaut nicht.»
In seiner Rolle als Astronaut will Sieber junge Menschen inspirieren, etwas zu erreichen. So wie es der erste Schweizer Astronaut Claude Nicollier getan hat. «Für mich ist es immer noch unvorstellbar, in seine Fussstapfen zu treten», sagt Sieber. Für ihn sei es eine grosse Ehre gewesen, Nicollier kennengelernt zu haben.
(sda/ade)