Bange Zukunftsfragen vor der Robin-Hood-Premiere – kehrt Tell jemals zurück?
Am Wochenende starten die Tellspiele in Matten bei Interlaken in die neue Saison. Es wartet gleich eine doppelte Premiere, denn erstmals seit über 100 Jahren wird auf der Freilichtbühne nicht die Geschichte des Schweizer Nationalhelden «Wilhelm Tell» aufgeführt, sondern die englische Volksgeschichte Robin Hood.
Vereinspräsident Pascal Minder freut sich auf die Premiere am Samstag: «Wie Tell ist Robin Hood ein Freiheitskämpfer. Er setzt sich für die Schwachen ein.» Trotz Vorfreude beim Präsidenten: Über den Tellspielen in Interlaken hängen dunkle Wolken, die nichts mit dem trüben Sommerwetter zu tun haben.
Finanzielle Probleme trüben die Vorfreude
Die Inszenierung eines anderen Stücks als die Schweizer Nationalgeschichte ist Teil der Überlebensstrategie des Freilichttheaters in Matten. Vereinspräsident Minder sagt es so: «Wir verzichten kurzfristig auf Tell, um ihn langfristig zu erhalten.»
Dabei ist es alles andere als sicher, dass Tell und sein «Walterli» jemals auf die Bühne in Interlaken zurückkehren werden.
Betrachtet man die Vorverkaufszahlen zu «Robin Hood», geht der Plan im Moment nicht auf. Bisher wurden deutlich weniger Tickets verkauft als erhofft, sagt Präsident Pascal Minder. Obwohl die Tribüne überdacht sei, helfe das aktuell schlechte Wetter beim Vorverkauf kaum. Ausserdem sei die Konkurrenz gross: «Wir sind eines von rund 30 Freilichttheatern im Kanton Bern. Da gilt es, die Leute für unser Produkt zu gewinnen.»
«Im Moment sieht es so aus, als ob wir die diesjährige Saison finanzieren können», so Minder. Dank Einsparungen in allen Bereichen. Zuletzt warben die Schauspieler ausserdem aktiv für ihren «Robin Hood» – unter anderem auf dem Mühleplatz in Thun.
Wie geht es mit den Tellspielen weiter?
Angedacht sei, dass man im Zweijahresrhythmus eine Tell-Inszenierung und im darauffolgenden Jahr eine «Nicht-Tell-Produktion» zeigt. In Stein gemeisselt ist dieser Plan jedoch nicht. Eine erneute Aufführung von «Robin Hood» 2025 ist nicht mehr ausgeschlossen. Im Juli wird die Vereinsleitung das weitere Vorgehen besprechen.
Allerdings wird der Vereinsvorstand nicht nur über die nächste Inszenierung sprechen können, sondern muss sich generell über die Zukunft der Tellspiele Gedanken machen: «Wir setzen alles daran, dass auf der schönsten Freilichtbühne der Schweiz auch nächstes Jahr ein Theater stattfindet», verspricht Minder. Jedes verkaufte Ticket zähle.
Kulturarena vorerst gescheitert
Die hohen Infrastruktur-Kosten drohen das über 100-jährige Kulturgut zu erdrücken – seit 1912 bestehen die Tellspiele in Interlaken. «Mittelfristig kann der Verein die Kosten für Unterhalt und Investitionen nicht mehr stemmen», so Minder. «Reichen unsere Gelder sowie die Beiträge von Partnern und der öffentlichen Hand nicht mehr aus, dann sind die Tellspiele akut gefährdet.»
Zuletzt hatten die Tellspiele Hoffnung in einen neu gegründeten Verein gelegt, der die Schaffung einer Kulturarena Jungfrau vorantreiben sollte. Die Idee: Die Infrastruktur wird vom Verein Tellspiele losgelöst und damit dieser finanziell entlastet wird.
Erst am Dienstag hatten die Verantwortlichen mitgeteilt, dass das Vorhaben nicht per 1. Januar 2025 umgesetzt werden kann. Die notwendige finanzielle Unterstützung sei nicht gefunden worden.